Klima und Wetter – Statistiken verstehen I: Langjährige Temperatur- und Niederschlagsmessung

Hundstage im Anmarsch dieses Jahr? Wer weiß das schon im voraus… Und sind Hundstage eher eine Frage des Klimas oder des Wetters? Und was ist nochmal genau der Unterschied zwischen Wetter und Klima? Vertrackte Sache…

Das Klima als langfristige Wetterentwicklung

Das Wetter misst die meteorologischen Bedingungen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Werden lange Zeitreihen des Wetters dann statistisch ausgewertet, bekommt man das Klima. Klima ist also der langjährige Mittelwert des Wetters oder auch die Statistik des Wetters. Niederschlag und Temperatur sind die beiden wichtigsten Eigenschaften von Wetter und Klima, wie wir sie wahrnehmen. Ihre Messung schafft einen ersten Teil des Instrumentariums, das für die Herleitung, Darstellung und letztlich das Verstehen des Klimawandels notwendig ist.

Dieser Artikel ist der erste einer dreiteiligen Reihe, die in knappen Worten und hoffentlich nicht zu trocken einige statistische Daten und Zusammenhänge zu Wetter und Klima darstellt.

Niederschlag und Niederschlagsanomalien…

In Deutschland werden seit viel mehr als 100 Jahren Daten zum Niederschlag nach einer einfachen und einheitlichen Methode erfasst. Die Aufzeichnungen ermöglichen eine sehr genaue Darstellung des langfristigen Wandels der Niederschlagsmengen, siehe die Abbildung Niederschlagsanomalie unten des Deutschen Wetterdienstes DWD (die DWD-Graphiken stammen von verschiedenen Seiten unter dwd.de).

Quelle: Deutscher Wetterdienst, dwd.de, 2022

So wird dabei vorgegangen:

  1. Messung der Niederschlagsmengen pro Jahr als Summe der täglichen Niederschläge in Millimetern Niederschlag (mm)
  2. Festlegung eines Referenzzeitraums, international vereinbart ist das 1961 – 1990. Der Zeitraum wurde von der World Meteorological Organisation WMO festgelet, um globale Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Über den Referenzzeitraum ergibt sich eine durchschnittliche Referenzmenge, der vieljährige Mittelwert von 789 mm Niederschlag pro Jahr
  3. Vergleich mit dem Referenzzeitraum: Umrechnung der absoluten jährlichen Niederschlagsmengen in %-Abweichungen von der Referenzmenge.

Kurz zum Referenzzeitraum: Er wird alle dreißig Jahre um 30 Jahre „weitergeschoben“. Derzeit befinden wir uns am Übergang vom Referenzzeitraum 1961 – 1990 zu 1991 – 2020. Entsprechend werden alle Referenzwerte für diesen neuen Zeitraum angegeben.

Aus der Graphik des DWD lassen sich mit diesem Wissen mehrere Fakten und Entwicklungen ablesen:

  • Die jährlichen Niederschläge schwanken – teils auch von einem Jahr auf das andere – sehr stark. Daher ist eine Betrachtung nur weniger aufeinander folgender Jahre nicht hilfreich für die Diskussion eines langfristigen Trends
  • Die Abweichungen vom Mittelwert sind sogenannte (positive und negative) Anomalien
  • Sehr langfristig haben die Niederschlagsmengen zugenommen, und zwar um 8 mm pro Jahr
  • Aber nicht mehr seit 2010, da hat die jährliche Menge sehr stark abgenommen.

… ergänzt um Temperaturdaten

Um ein Bild über den Klimawandel zu bekommen, ergänzt man die Perspektive u.a. um die Temperaturanomalien. Entlang des vieljährigen Mittelwerts von 8,2°C hat die Durchschnittstemperatur in Deutschland in 140 Jahren um 1,6°C zugenommen. Und nicht nur das. Der Löwenanteil an dieser ansteigenden Kurve kommt durch die drastisch überdurchschnittlich warmen Temperaturen seit 1990.

Quelle: Deutscher Wetterdienst, dwd.de, 2022

2021 betrug die Durchschnittstemperatur 9,1°C, das Jahr zeigte als elftes Jahr in Folge eine positive Temperaturanomalie. Hätte es 2010 keine leicht negative Anomalie gegeben, wäre 2021 sogar das 25. zu warme Jahr in Folge gewesen.

Ergänzen wir dieses Wissen um Daten von den langjährigen gleitenden Mittelwerten der Jahrestemperaturen, ergibt sich ein relativ klares Bild über die Temperaturdynamik des Klimawandels. Die Graphik des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology stellt dies für Deutschland auf diese Weise dar.[1]

Was ist ein gleitender Mittelwert? Ein gleitender Mittelwert wird z. B. aus zehn (oder 20 oder…) aufeinanderfolgenden Jahren gebildet. Dafür wird jedes Jahr ein neuer Wert in die Reihe aufgenommen und der erste Wert aus der Reihe gelöscht. So ergeben sich geglättete Werte, die Ausreißer (extrem hohe niedrige Werte) relativieren und dadurch eine bessere Vergleichbarkeit herstellen. 10-Jahre-Mittelwerte werden also gebildet aus Werten von 1961 – 1970, 1962 – 1971, 1963 – 1972 etc.

Die Abbildung des CEDIM zeigt die über 30 Jahre gemittelten – gleitenden – Jahresmitteltemperaturen für Deutschland (rote Linie) und die Bundesländer auf Basis der Daten des DWD. Die absoluten Werte der Bundesländer unterscheiden sich – Bayern als kältestes und Nordrhein-Westfalen als wärmstes Bundesland – ihre langjährige Entwicklung verläuft aber parallel.  Erkennbar sind drei Phasen:

1. Phase, 1910 – 1961: Anstieg der Temperatur um 0,4°C

2. Phase, 1962 – 1991: Kein Anstieg[2]

3. Phase, 1992 – 2020: Starker Anstieg um mehr als 1°C.

Quelle: CEDIM, siehe Text

Was man aus Jahresdaten nicht ablesen kann

Aus der Graphik der Niederschlagsanomalien könnte man nun mit Blick auf einen Klimawandel sagen: Solange die Niederschlagsmengen mehr oder weniger stimmen, ist doch alles ok. Und tatsächlich, aus dieser Graphik lassen sich einige relevante Dinge gerade nicht ablesen:

  • Wann im Jahr der Niederschlag fällt und wann nicht
  • Wie sich der Niederschlag auf Bodenerosion und Vegetation auswirkt

Ähnlich lässt sich aus den jährlichen Temperaturanomalien nicht ablesen, wie stark die Temperaturschwankungen im Jahresverlauf sind, also ob kalte Wintertemperaturen mit extrem hohen Sommertemperaturen zu steigenden Durchschnittstemperaturen führen oder vielleicht mildwarme Winter mit nur warmen Sommern oder eine Mischung von beiden Konstellationen.

Daten hierüber sind in einem folgenden Schritt zu erheben und zu interpretieren, und so ergibt sich nach und nach ein vollständiges Bild über die Dynamik des Klimawandels. Der zweite Teil der Reihe wird sich daher mit Niederschlag und Temperatur im Jahresverlauf befassen.

Teil 2: Schwankungen von Niederschlag und Temperatur im Jahresverlauf

Teil 3: Fokus auf den April: Vom Wert des Aprils als Klimawandelanzeiger

Ist der Artikel zu trocken, zu fachlich, zu detailliert – oder zu oberflächlich? Geben Sie mir Feedback!


[1] CEDIM. www.cedim.kit.edu.

[2] Eine Erklärung, warum die Temperatur in der zweiten Phase trotz stark steigender Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre eine Pause eingelegt hat, würde den Rahmen des Artikels sprengen.

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