Hier leuchtet die „… des Jahres“: Welche Botschaften uns Jahres-Arten schicken

Tier des Jahres, Pflanze des Jahres: Man hat davon gehört, auch wenn es den meisten unter uns wahrscheinlich schwerfallen wird, einige Arten zu benennen. Vielleicht hat man vom Großen Wiesenknopf (2021) schon gelesen, sicher von der Brennnessel (2022), vom Hirschkäfer (2012) ganz bestimmt. Allerdings: Die Kategorien „Tier“ und „Pflanze“ gibt es gar nicht! So waren der Große Wiesenknopf Blume des Jahres, der Hirschkäfer Insekt des Jahres und die Brennnessel ist aktuell die Heilpflanze des Jahres.

Die bekannteste „… des Jahres“ ist wohl die Blume des Jahres, gekürt von der Loki-Schmidt-Stiftung. Dieses Jahr steht die Vierblättrige Einbeere im Mittelpunkt. Laut Stiftung soll damit auf den Schutz naturnaher Wälder hingewiesen werden.

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Weitere sehr bekannte Jahreskategorien dürften das Insekt des Jahres und der Vogel des Jahres sein. Das Insekt wird vom gleichnamigen Kuratorium ausgewählt (koordiniert vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut), seit 2009 gemeinsam für die Schweiz, Österreich und Deutschland. Für 2022 fiel die Wahl auf die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege, eine putzige Gesellin, bei der man sich nicht nur als Biologiestudent fragt, ob ihre Brustverlängerung (die den halsartigen Eindruck erweckt) einen evolutorischen Sinn hat oder sich eben einfach so entwickelt hat, weil der längere Kopf kein Überlebensnachteil war. Laut Wikipedia soll die Verlängerung den Nahrungserwerb erleichtern.

Der Hintergrund all dieser Küren ist klar: Man will auf ein Anliegen aufmerksam machen, auf Naturschutz, Umweltschutz, die Verarmung der Biodiversität etc. Und letztlich ist es für viele Interessengruppen aus Spendensicht wichtig, positive Aufmerksamkeit zu erzeugen. Bei den meisten Tieren oder Pflanzen handelt es sich, so viel Kritik sei erlaubt, um Arten, die zwar hohen Wiedererkennungs-, Identifikations- oder emotionalen Wert haben, aber keine oder wenigstens keine nachgewiesene Relevanz für den Erhalt von Ökosystemen. Der Wert vieler der gekürten Organismenarten liegt eher in deren Funktion als Anzeiger für die Bedrohung von Lebensräumen, als ein Bewusstmacher für Entwicklungen, die uns beunruhigen sollten.

Land- und Gesellschaften des Jahres

Eine weitergehende Art der „… des Jahres“-Küren thematisiert konsequenterweise ganze Lebensräume: Flusslandschaft, Waldgebiet und Pflanzengesellschaft des Jahres, und nicht zuletzt der Boden des Jahres. Naturräume und Ökosysteme lassen sich nicht emotionalisieren, vielleicht sind sie uns deswegen weniger präsent, oder einfach weil ihnen die starke Lobby fehlt. Sie erinnern uns aber daran, worum es letztlich geht: Die Erhaltung von Systemen, in denen prominente „Vorzeige-Arten“ zwar ihren Platz haben, die aber der Lebensraum von sehr vielen weiteren schützenswerten Organismen sind.

Keine echte Landschaftsform, aber ein Vegetationstyp, der auf bestimmte (veränderte) Landschaften hinweist, wird mit der Pflanzengesellschaft des Jahres vorgestellt. 2022 ist es die Ackerwildkraut-Vegetation der Kalkäcker. Ja, das liest man gern ein zweites Mal: Ackerwildkraut-Vegetation der Kalkäcker. Die Floristisch-soziologische Arbeitsgemeinschaft e.V. an der Universität Osnabrück kürt seit 2019 solche Pflanzengesellschaften, ebenfalls mit dem Anliegen, auf die Gefährdung von Naturräumen hinzuweisen.

Info-Box. Die Ackerwildkraut-Vegetation der Kalkäcker entstand erst mit der traditionellen Landwirtschaft. Die Intensivierung der Landwirtschaft brachte sie jedoch fast ganz zum Verschwinden. Sie bietet eine Reihe von Ökosystemleistungen[1] und ist daher für den Menschen von großer Bedeutung. Eine dieser Leistungen ist ihre Funktion als Nahrungsgrundlage für Tiere, die wiederum den Erhalt von Ökosystemen in und um landwirtschaftlich genutzte Flächen sichern.

Geht‘s exotischer? Sicher geht das: Algen, Bakterien, Nutztiere

Die Mikrobe des Jahres 2022 ist Saccharomyces cerevisiae. Wer Spanisch spricht oder Asterix-Hefte gelesen hat, ist im Vorteil und weiß, wovon die Rede ist: Von der Bierhefe, Bäckerhefe oder auch Backhefe. Die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie VAAM weist damit auf die Bedeutung von S. cerevisiae für den Menschen hin sowie auf ihre Vielseitigkeit als Gegenstand mikrobiologischer Forschung.

Die Alge des Jahres 2022 ist Stylodinium spec. Die Arten der Gattung Stylodinium lassen sich als sogenannte Zeiger-Arten für die Wasserqualität von Mooren nutzen. Wo sie vorkommen, ist die Wasserqualität hoch. Sie ist möglicherweise in Zukunft auch für die Beurteilung von Klimawandelfolgen von Bedeutung. Da Stylodinium bisher jedoch wenig erforscht ist, gibt es hierzu nur Vermutungen. Wünschen wir den Mikrobiologen doch einfach mal viel Glück bei der Beantragung von Forschungsmitteln!

Und nun präsentieren wir das Walachenschaf, Gefährdetes Nutztier des Jahres 2022! Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen ernennt seit bald vierzig Jahren Nutztierrassen der Roten Liste zur Gefährdeten Rasse des Jahres und verdeutlicht damit, dass „neben den Wildtieren und Wildpflanzen auch in der Landwirtschaft der Verlust der Vielfalt eingezogen ist.“ (Zitat: www.g-e-h.de) Die GEH führt weiters ins Feld, dass vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Verarmung der Biodiversität keine an spezielle Standorte angepasste Rasse verloren gehen dürfe.

Das Fazit des Jahres 2022…

… wird gekürt von Klimawandel-Garten.de. Diesjähriger Gewinner:

Das Feld der Jahresarten ist also groß, für alle Interessen ist bei Pflanzen, Tieren, Lebensräumen etwas dabei. Unten findet sich eine (sicher nicht vollständige) Liste der Jahres-Arten. Eine Recherche lohnt sich und lässt sicher den ein oder anderen Schatz heben. Und wer bei sich Zuhause die Ansiedlung oder das Überleben einzelner ausgewählter Arten fördern will, tut sicher auch etwas für das gesamte Ökosystem Garten. Der Klimawandel-Garten wünscht viel Erfolg!

TitelArtAusgewählt von
Alge des JahresStylodiniumDeutsche Botanische Gesellschaft (DBG)
Arzneipflanze des JahresMönchspfefferStudienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde, Universität Würzburg
Baum des JahresRotbucheSilvius Wodarz Stiftung, Verein Baum des Jahres
Blume des JahresEinbeereLoki Schmidt Stiftung
Boden des JahresPelosolKuratorium Boden des Jahres
Einzeller des JahresBlastocystisDeutsche Gesellschaft für Protozoologie
Fisch des Jahres (2021/22)HeringDeutscher Angelfischerverband (DAFV)
Flechte des JahresZähe LeimflechteBryologisch-Lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa
Flusslandschaft des JahresWeiße ElsterNaturFreunde Deutschlands, Deutscher Angelfischverband
Gefährdete Nutztierrasse des JahresWalachenschafGesellschaft zur Erhaltung Alter und Gefährdeter Haustierrassen (GEH)
Gemüse des Jahres (2021/22)MaisVerein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN)
Giftpflanze des JahresKartoffelBotanischer Sondergarten Wandsbek
Heilpflanze des JahresBrennnesselNHV Theophrastus
Höhlentier des JahresKleine HufeisennaseVerband der Deutschen Höhlen- und Karstforscher
Insekt des JahresSchwarzhalsige KamelhalsfliegeKuratorium Insekt des Jahres
Libelle des JahresKleine PechlibelleGesellschaft Deutschsprachiger Odonatologen, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Reptil/Lurch des JahresWechselkröteDeutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde
Mikrobe des JahresBäckerhefeVereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie
Moos des JahresSparriges KleingabelzahnmoosBryologisch-Lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa
Orchidee des JahresBraunrote StendelwurzArbeitskreise Heimische Orchideen
Pflanzengesellschaft des JahresAckerwildkraut-Vegetation der KalkäckerFloristisch-Soziologische Arbeitsgemeinschaft
Pilz des JahresFliegenpilzDeutsche Gesellschaft für Mykologie
Schmetterling des JahresKaisermantelBUND NRW
Spinne des JahresTrommelwolfArachnologische Gesellschaft
Stadtpflanze des JahresBlauglockenbaumBochumer Botanischer Verein
Staude des JahresJapanisches BerggrasBund Deutscher Staudengärtner
Vogel des JahresWiedehopfNABU, Landesbund für Vogelschutz in Bayern
Waldgebiet des JahresErdmannwälderBund Deutscher Forstleute
Weichtier des JahresBayerische ZwergdeckelschneckeDeutsche Malakologische Gesellschaft
Wildbiene des JahresRainfarn-MaskenbieneArbeitskreis Wildbienen-Kataster
Wildtier des JahresSchweinswalDeutsche Wildtier Stiftung

[1] Ökosystemleistung bezeichnet nach Wikipedia.de „die „Nutzenstiftungen“ bzw. „Vorteile“ … die Menschen von Ökosystemen beziehen. Der Begriff ist seit Beginn dieses Jahrtausends zu einem Schlüsselkonzept an der Schnittstelle von natur- und sozialwissenschaftlicher Umweltforschung geworden. Beispiele für Ökosystemdienstleistungen sind das Bestäuben von Obstblüten durch Insekten, die Bereitstellung von nutzbarem Bewässerungs- und Trinkwasser durch natürliche Filtration von Niederschlag, die Reproduktion von Fischpopulationen als Nahrungsmittel sowie die Bereitstellung von frischer Luft und einer ansprechenden Umwelt für Freizeit, Erholung und ästhetischen Genuss.“

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